Wenn ich allein zuhause bin, bin ich ein echtes Mädchen. Ich
kann mit einer Kettensäge und einer Schlagbohrmaschine umgehen, ich fange bis
zum Anschlag fletschende Hunde ein und hole auch die bösesten Raufer
auseinander. Ich setze mich auf fast jedes Pferd, klettere auf Dächer und fasse
auch Schlangen oder Spinnen an - aber wehe ich bin allein zuhause und es ist
dunkel, dann ist alles zu spät.
Allein zuhause heißt bei Hundetrainern mit Pension meist
etwas wie : es sind nur die 5 eigenen Hunde und etwa 20 bis 30 Pensionshunde
anwesend, sonst niemand, der einem helfen könnten, wenn die Mächte des Bösen im
heimischen Einsiedlerhof aufschlagen und versuchen die kalte Pizza aus der
Mikrowelle an sich zu reißen. Oder, wie in meinem Fall, eine Versammlung mit
dem Thema „Die Weltherrschaft in drei Schritten“ im gerade in der
Renovierungsphase befindlichen Putenstall abzuhalten.
Die Clique in der Pension wusste eigentlich ziemlich genau
wie es läuft: Die Tagesgäste lagen bereits in Abholreihenfolge am Hoftor vor
der Hundeklappe, denn dort bekamen sie auch täglich von mir ihr Abendessen,
damit Mama und Papa beim Abholen nicht mit hohen Schuhen bis ins Wäldchen
hinter stapfen mussten um Flori und Co. aus einem Erdloch zu zerren. Die
Übernachtungsgäste standen schon an der Terrassentür, denn für sie gab es
Abendessen immer drin.
Erster der Clique war immer der Beagle. Ganz egal wobei.
Obwohl, den Rüssel im Fressnapf parken ging immer noch einen Tick schneller als
irgendwo ein Loch im Zaun finden oder Schuhe, Unterwäsche und Kissen zum – naja
lassen wir das – klauen. Dieses Tier war eigentlich immer weg, außer es gab Freßbares.
Es war eines schönen Abends an Halloween, als alles wie immer war und deshalb
auch niemandem auffiel. Ich war allein zuhause, alle waren da, nur der Beagle
war weg - also alles wie immer. Eigentlich.
Im Fernsehen lief Roseanne, die Halloweenfolge und ich lag
allein vor der Couch. Die Hunde waren schneller gewesen und hatten die Couch
bereits besetzt… Im fahlen Licht der Hoflaterne sahen die Clique und ich ihn zum ersten Mal: DEN MOTHMAN – zunächst ohne
seine Prophezeiung. Wir bellten los wie die Irren – also ich nicht, ich schrie,
haute panisch mit der Fernbedienung auf den Tisch und sprang zu den anderen auf
die Couch.
Im Hof herrschte Stille, nichts regte sich. Als
Verantwortlicher und Oberhaupt des Hofes und vor allem als der Vernünftigste
von allen ging natürlich nicht ich, sondern Maxx, mein Schäfer-Berner-Mix zur
Terrassentür uns wagte einen Blick. Wir hielten den Atem an. Maxx schnaufte
verächtlich, alle zuckten zusammen. Er verdrehte nur die Augen und legte sich
vor die Tür. In solchen Momenten hat er irgendwie was von Liz Taylor.
Gerade als ich den Fernseher wieder laut machen wollte
geschah es: der Mothman trat gegen die Scheibe und brüllte, Maxx überschlug
sich vor Schreck und knallte in einen Stapel leerer Futterschüsseln, was bei
den anderen Hunden spontanes Sitz mit dümmlichem Grinsen und Schwanzwedeln
auslöste. Der Unsinnigkeit ihres Handelns aber schnell bewusst geworden
verfielen sie gleich wieder in angemessene Angstzustände.
Auf der anderen Seite des Hofes hatte sich der Mothman
anscheinend im Putenstall verschanzt, randalierte wütend und schrie. Die nur
mit milchiger Folie verklebten Fenster beulten sich durch seine Tritte nach
außen und dem Lärm nach zu urteilen schienen auch die übrigen Mächte des Bösen
zur Versammlung im Putenstall eingetroffen zu sein.
Schweißgebadet rief ich meinen Nachbarn, der
glücklicherweise auch wenige Minuten später zur Stelle war. Sepp war ein
unglaublicher netter Mensch und sein Vorteil war, dass er noch nie etwas vom
Mothman und seinem Gefolge gehört hatte. „Schmarrn. Dou is oina bsuffn oda des
is a Fuchs. Den haue asse.“ Frei übersetzt: „Mach Dir keine Sorgen, ich sehe
nach.“
Sepp ging also todesmutig in seiner grenzenlosen Naivität
über den Hof, nur mit einer Taschenlampe bewaffnet. Im Schlepptau mich, mit
einem Kruzifix aus Plastikbesteck, einer handvoll Basilikum – keine Ahnung was
das helfen sollte - einem weißen Geschirrtuch als Zeichen des Friedens und
meinem Jagdmesser zwischen den Zähnen, falls das Geschirrtuch nix half..Maxx
kopfschütteln und immer noch augenverdrehend neben mir, der Rest der Hunde im
Haus, solange die Futterküche ausräubernd.
Was uns im Putenstall erwartete war so unglaublich, dass ich
bis heute nicht ohne Nervenflattern darüber sprechen kann: vor uns lag das
totale Chaos. Im ganzen Stall herrschte dichter, mystischer Nebel, der einem
den Atem stocken ließ – die Versammlung hatte wohl Rituale mit dem
Schnellgipspulver durchgeführt. Mehrere der neuen Fenster waren umgeworfen
worden, die Folien in den Fensterausschnitten eingetreten und alle Holzlatten
zu einem skurrilen Scheiterhaufen zusammengeworfen worden. Sepp sah mich an.
Die Versammlung schienen wir verscheucht zu haben und es
hatte den Anschein als hätten sie nur einen ihrer Propheten für uns
zurückgelassen: unter einem Haufen Plastik bewegte sich etwas und begann erbost
in einer fremden Sprache zu predigen. Seine Stimme klang grauenvoll verzerrt,
es lief mir eiskalt den Rücken hinunter.
Aber Sepp ging hin, räumte zwei Latten auf Seite, wickelte
den Beagle aus dem ganzen Folienknäuel und zog ihm endlich das zwei Meter lange
Drainagerohr vom Kopf. Da war er, der Prophet. Das Mäusenest aus dem
Drainagerohr noch komplett in der Schnauze, am ganzen Körper weiß vom Gips und
ein Blick, der sogar den Mothman aus dem Feinripp geschnalzt hätte.
Ich warf Basilikum und Plastikbesteck weg, gab dem Sepp wie immer ein Bier, staubte den Beagle
gründlich ab und beschloss in Zukunft zumindest Weihwasser und ein echtes
Kruzifix für solche Notfälle im Haus zu haben.
;)
AntwortenLöschenIch mag Deine Art zu schreiben ... diese Art die "Mothman-Prophezeiung" zu erleben hätte mir sicher auch Schweißperlen aus allen dafür vorgesehenen Öffnungen getrieben - heute beim Lesen kamen nur Lachtränen aus meinen Augen :)
AntwortenLöschenLiebe Grüße,
Isabella
Vielen Dank Isabella - mit etwas Abstand kann ich heute auch darüber lachen ;)
LöschenLiebe Grüße
Ina
Super geschrieben. Danke! Haben herzlich gelacht!
AntwortenLöschenSuper geschrieben. Danke, wir haben herzlich gelacht!!!
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