Donnerstag, 31. Oktober 2013

Der Beagle, Überbringer der Mothman- Prophezeiung

Wenn ich allein zuhause bin, bin ich ein echtes Mädchen. Ich kann mit einer Kettensäge und einer Schlagbohrmaschine umgehen, ich fange bis zum Anschlag fletschende Hunde ein und hole auch die bösesten Raufer auseinander. Ich setze mich auf fast jedes Pferd, klettere auf Dächer und fasse auch Schlangen oder Spinnen an - aber wehe ich bin allein zuhause und es ist dunkel, dann ist alles zu spät.

Allein zuhause heißt bei Hundetrainern mit Pension meist etwas wie : es sind nur die 5 eigenen Hunde und etwa 20 bis 30 Pensionshunde anwesend, sonst niemand, der einem helfen könnten, wenn die Mächte des Bösen im heimischen Einsiedlerhof aufschlagen und versuchen die kalte Pizza aus der Mikrowelle an sich zu reißen. Oder, wie in meinem Fall, eine Versammlung mit dem Thema „Die Weltherrschaft in drei Schritten“ im gerade in der Renovierungsphase befindlichen Putenstall abzuhalten.

Die Clique in der Pension wusste eigentlich ziemlich genau wie es läuft: Die Tagesgäste lagen bereits in Abholreihenfolge am Hoftor vor der Hundeklappe, denn dort bekamen sie auch täglich von mir ihr Abendessen, damit Mama und Papa beim Abholen nicht mit hohen Schuhen bis ins Wäldchen hinter stapfen mussten um Flori und Co. aus einem Erdloch zu zerren. Die Übernachtungsgäste standen schon an der Terrassentür, denn für sie gab es Abendessen immer drin.

Erster der Clique war immer der Beagle. Ganz egal wobei. Obwohl, den Rüssel im Fressnapf parken ging immer noch einen Tick schneller als irgendwo ein Loch im Zaun finden oder Schuhe, Unterwäsche und Kissen zum – naja lassen wir das – klauen. Dieses Tier war eigentlich immer weg, außer es gab Freßbares. Es war eines schönen Abends an Halloween, als alles wie immer war und deshalb auch niemandem auffiel. Ich war allein zuhause, alle waren da, nur der Beagle war weg - also alles wie immer. Eigentlich.

Im Fernsehen lief Roseanne, die Halloweenfolge und ich lag allein vor der Couch. Die Hunde waren schneller gewesen und hatten die Couch bereits besetzt… Im fahlen Licht der Hoflaterne sahen die Clique und ich ihn  zum ersten Mal: DEN MOTHMAN – zunächst ohne seine Prophezeiung. Wir bellten los wie die Irren – also ich nicht, ich schrie, haute panisch mit der Fernbedienung auf den Tisch und sprang zu den anderen auf die Couch.

Im Hof herrschte Stille, nichts regte sich. Als Verantwortlicher und Oberhaupt des Hofes und vor allem als der Vernünftigste von allen ging natürlich nicht ich, sondern Maxx, mein Schäfer-Berner-Mix zur Terrassentür uns wagte einen Blick. Wir hielten den Atem an. Maxx schnaufte verächtlich, alle zuckten zusammen. Er verdrehte nur die Augen und legte sich vor die Tür. In solchen Momenten hat er irgendwie was von Liz Taylor.

Gerade als ich den Fernseher wieder laut machen wollte geschah es: der Mothman trat gegen die Scheibe und brüllte, Maxx überschlug sich vor Schreck und knallte in einen Stapel leerer Futterschüsseln, was bei den anderen Hunden spontanes Sitz mit dümmlichem Grinsen und Schwanzwedeln auslöste. Der Unsinnigkeit ihres Handelns aber schnell bewusst geworden verfielen sie gleich wieder in angemessene Angstzustände.

Auf der anderen Seite des Hofes hatte sich der Mothman anscheinend im Putenstall verschanzt, randalierte wütend und schrie. Die nur mit milchiger Folie verklebten Fenster beulten sich durch seine Tritte nach außen und dem Lärm nach zu urteilen schienen auch die übrigen Mächte des Bösen zur Versammlung im Putenstall eingetroffen zu sein.

Schweißgebadet rief ich meinen Nachbarn, der glücklicherweise auch wenige Minuten später zur Stelle war. Sepp war ein unglaublicher netter Mensch und sein Vorteil war, dass er noch nie etwas vom Mothman und seinem Gefolge gehört hatte. „Schmarrn. Dou is oina bsuffn oda des is a Fuchs. Den haue asse.“ Frei übersetzt: „Mach Dir keine Sorgen, ich sehe nach.“

Sepp ging also todesmutig in seiner grenzenlosen Naivität über den Hof, nur mit einer Taschenlampe bewaffnet. Im Schlepptau mich, mit einem Kruzifix aus Plastikbesteck, einer handvoll Basilikum – keine Ahnung was das helfen sollte - einem weißen Geschirrtuch als Zeichen des Friedens und meinem Jagdmesser zwischen den Zähnen, falls das Geschirrtuch nix half..Maxx kopfschütteln und immer noch augenverdrehend neben mir, der Rest der Hunde im Haus, solange die Futterküche ausräubernd.

Was uns im Putenstall erwartete war so unglaublich, dass ich bis heute nicht ohne Nervenflattern darüber sprechen kann: vor uns lag das totale Chaos. Im ganzen Stall herrschte dichter, mystischer Nebel, der einem den Atem stocken ließ – die Versammlung hatte wohl Rituale mit dem Schnellgipspulver durchgeführt. Mehrere der neuen Fenster waren umgeworfen worden, die Folien in den Fensterausschnitten eingetreten und alle Holzlatten zu einem skurrilen Scheiterhaufen zusammengeworfen worden. Sepp sah mich an.

Die Versammlung schienen wir verscheucht zu haben und es hatte den Anschein als hätten sie nur einen ihrer Propheten für uns zurückgelassen: unter einem Haufen Plastik bewegte sich etwas und begann erbost in einer fremden Sprache zu predigen. Seine Stimme klang grauenvoll verzerrt, es lief mir eiskalt den Rücken hinunter.

Aber Sepp ging hin, räumte zwei Latten auf Seite, wickelte den Beagle aus dem ganzen Folienknäuel und zog ihm endlich das zwei Meter lange Drainagerohr vom Kopf. Da war er, der Prophet. Das Mäusenest aus dem Drainagerohr noch komplett in der Schnauze, am ganzen Körper weiß vom Gips und ein Blick, der sogar den Mothman aus dem Feinripp geschnalzt hätte.

Ich warf Basilikum und Plastikbesteck weg,  gab dem Sepp wie immer ein Bier, staubte den Beagle gründlich ab und beschloss in Zukunft zumindest Weihwasser und ein echtes Kruzifix für solche Notfälle im Haus zu haben.  



5 Kommentare:

  1. Ich mag Deine Art zu schreiben ... diese Art die "Mothman-Prophezeiung" zu erleben hätte mir sicher auch Schweißperlen aus allen dafür vorgesehenen Öffnungen getrieben - heute beim Lesen kamen nur Lachtränen aus meinen Augen :)

    Liebe Grüße,
    Isabella

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    1. Vielen Dank Isabella - mit etwas Abstand kann ich heute auch darüber lachen ;)
      Liebe Grüße
      Ina

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  2. Super geschrieben. Danke! Haben herzlich gelacht!

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  3. Super geschrieben. Danke, wir haben herzlich gelacht!!!

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