Vor einigen Jahren kam mein kleiner Vizsla Mogli zu mir. Ich hatte den kleinen Kerl in einem Zooladen kennengelernt, in dem er mit Frauchen einkaufen war. Mogli war 9 Wochen alt und hatte sich im Portemonnaie seiner völlig zerkratzten und überforderten Besitzerin verbissen. Sie setzte ihn kurz auf den Boden, da hatte er auch schon einen Futtersack aufgerissen und rannte weiter Richtung Leckerchenbar...
Was macht man in einer solchen Situation als Hundetrainer? Klar, man fängt das kleine Monster ein, klemmt es sich ordentlich unter den Arm und erklärt der Besitzerin geduldig über eine Stunde wie sie die Herrschafft des Hause zurückbekommt. Mogli war gerade neun Wochen alt und ein Einzelwelpe gewesen. Schon beim Züchter hatte er gelernt, dass er der Mittelpunkt der Welt ist und dementsprechend gut entwickelte er sich bei den neuen Besitzern weiter.
Schluchzend erklärte mur die Frau sie hätte schon drei Kilo abgenommen vor Stress, Mogli würde nur klauen, bellen, beißen und die Wohnung zerlegen. Sie wollte den Kleinen ins Tierheim bringen, wenn das alles nicht sehr schnell besser würde. Ich bat sie das nicht unüberlegt zu tun, sondern mich lieber anzurufen, wenn sie nicht weiter wüßte.
Drei Tage später klingelte mein Telefon, ich solle den Welpen doch bitte zu mir nehmen. Das tat ich und war also plötzlich Viszla-Besitzer. Diese Hunde sollen sensibel und sanft, etwas ängstlich, dafür sehr anhänglich und leichtführig sein. Mogli nicht. Er war ein kleiner Tyrann.
Mogli lief mit neun Wochen einfach hunderte Meter weit weg, so dass hier erstmal Schleppleinentraining angesagt war. Außerdem bekam er regelrechte Wutanfälle, wenn er nicht im Mittelpunkt stand. Musste ich telefonieren und spielte nicht mit ihm sprang er in die Luft wie ein Ziegenböckchen und ließ sich auf de Rücken fallen. Beschäftigte man sich mit anderen Hunden, versuchte er heftig zu beißen, sollte er nur kurz warten, schrie er sich die Seele aus dem Leib.
Außerdem biß er richtig fest wenn er etwas verteidigte, klaute alles, was so frei im Zimmer herumlag, zerstörte Bücher und Kissen. Es war viel Arbeit nötig und verlangte mir noch mehr Geduld ab den Kleinen wieder auf Spur zu bringen. Aber wer hätte es gedacht, Mogli mauserte sich zum Musterschüler. Er lernte alle Lektionen des Grundgehorsams in Windeseile, blieb plötzlich super alleine, hat nie wieder gebissen und auch der Abruf saß plötzlich bombenfest.
Ich begann ihn jagdlich auszubilden und auch das machte er super. Apportieren ist sein Leben und auch Schweiß und Schleppe arbeitete er eifrig. Eines schönen Tages, Mogli war etwa 5 oder 6 Monate alt, wollte ich im Unterricht eine Übung mit der Leine zeigen und rief Mogli als Vorzeigehund.
Ich leinte ihn an und wollte loslaufen, doch Mogli blieb wie angewurzelt stehen - er war völlig irritiert. Ich wusste nicht weshalb, also lockte ich, munterte ihn auf, wiederholte den Fuß-Befehl, aber es war nichts zu machen. Plötzlich sprang Mogli los und schoß nach vorn ins Leinenende. Ich verstand die Welt nicht mehr, er benahm sich als wäre er noch nie an der kurzen Leine gewesen...-verdammt.
Konnte das denn wahr sein? Da bin ich Hundetrainerin, hab dem Zwerg jetzt über Monate die schlimmsten Marotten abgewöhnt und allen möglichen Mist von Sitz aus der Bewegung, Down, Apportieren über Rolle, Dreh Dich, Schleppe, perfekter Freifolge und Abruf aus allen Lebenslagen beigebracht, aber verpeilt mit ihm Leinenführigkeit zu üben???
Jep, genau das stellte sich nach einigem Überlegen als Wurzel des Problems heraus. Wir leben auf dem Land, um uns herum sind Wiesen, Felder und Wald. Es war einfach nicht notwendig den Hund anzuleinen und ich hatte es schlicht und einfach bei aller Fachdudelei vergessen. Hundetrainer sind auch nur Menschen.
Eine rührende , wenngleich auch traurige Geschichte mit Happy End.
AntwortenLöschenJa, manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht.
Viele liebe Grüße
Sabine mit Socke