Ein schöner Tag. Aber irgendwie seltsam. Fast beunruhigend.
Eigentlich war an diesem Tag noch gar nichts Besonderes losgewesen. Aber ich
war zuversichtlich, denn schließlich war Feiertag, schönes Wetter und außerdem
erst sieben Uhr morgens. Da geht noch was. Und schon klingelte das Telefon…
„Wir müssen unseren Hund abgeben, wir haben doch Enkel!“,
erklärte der Herr am Telefon in Ansätzen hysterisch und ohne Einleitung. Ich
stottere. Ähm-ja. Ich erfragte seinen Namen und erklärte, dass Enkel und Hunde
sich nicht generell gegenseitig ausschließen müssen und hoffte auf nähere
Erklärungen.
Aber irgendwie klappte das nicht so richtig. „Es ist einfach
unverantwortlich, das können wir nicht zulassen, den Enkeln darf nichts
passieren. Und man hört das ja so oft!“, stieß der verzweifelte Mann den Tränen
nahe hervor. Schuld daran, dass es so weit kommen musste sei ohnehin Hilde, die
könne sich nicht an Regeln halten. Oh man, so kamen wir nicht weiter.
„Herr Regler, fangen wir doch einfach von vorn an: was haben
sie denn für einen Hund?“, versuchte es erneut. „Einen Beagle! Und wenn man
einmal gesehen hat wie der seinen Kauknochen zerlegt will man an Schlimmeres
gar nicht denken!“ Ich ließ den Hörer für ein paar Sekunden sinken und atmete durch. „Was hat der Hund denn getan?!?“ Stille. Das Schluchzen einer älteren
Dame im Hintergrund- das Heulen eines Beagles- oder des Windes und eine
knarzende Tür..Ich werde theatralisch und übertreibe, sorry.
„Er hat rohes Fleisch gefressen.“, brach es unter Tränen
aus dem Mann heraus. Ich stutzte. Zwei oder drei Mal glaube ich. Dann versuchte
ich es mit Stirnrunzeln. Aber erst auf der Unterlippe kauen brachte das
gewünschte Ergebnis: ich verstand. „Ihr Beagle hat von dieser Hilde rohes
Fleisch bekommen und jetzt haben Sie Angst, dass er agressiv wird?“,
durchbrach ich die bedrückende Stille. „Ja hätten Sie denn keine Angst!!! Das
weiß doch jeder, dass solche Hunde Menschen anfallen, das hat mir als kleiner
Junge schon mein Vater erzählt, dass der Hund vom Bauern Kuno nur deshalb
damals…“, seine Stimme brach ab.
Der Mann tat mir fast leid. Ich versuchte mit all meiner
Überzeugungskraft zu erklären, dass das ein Ammenmärchen ist und heutzutage
viele Hunde sogar absichtlich mit rohem Fleisch gefüttert werden, dass seine
Frau von ihrem Mettbrötchen ja auch nicht Amok läuft, aber vergebens. Der Mann
hatte Angst und noch dazu keine Ahnung von Hunden. Da halfen auch die fast zweistündige
Überzeugungsarbeit und alle Erklärungen nichts.
Ich dachte angestrengt nach. „Wenn Sie ihn nicht nehmen, dann
müssen wir ihn ins Tierheim bringen, das bringen wir beide nicht übers Herz,
Frau Hildenbrand. Sie haben doch schon einen Beagle, das wäre doch schön, die
zwei mögen sich bestimmt. Bitte, wie wissen nicht weiter.“, unterbrach Herr
Regler meine gerade Einsetzende Erleuchtung.
„Wann hat er das Fleisch gefressen?“, fragte ich jetzt
bestimmt. Alles hängt ab sofort von meiner schauspielerischen Leistung ab. „Heute Nacht, Hilde hat uns den Wildschweinbraten gestern mitgebracht und die Tür zur
Speisekammer dann offen gelassen-warum?“, schniefte Herr Regler. „Dann müssen
sie ihn nicht abgeben, es gibt ein Gegenmittel! Ich besorge etwas und komme so
schnell ich kann vorbei. Wir dürfen keine Zeit verlieren. Wie ist Ihre Adresse?“-ich
versuchte euphorisch zu klingen. Er stieg drauf ein, ich notiere die Adresse
und lege auf. Und platze erstmal vor Lachen.
Aber was jetzt? Ich rief meinen guten Freund und Tierarzt an und nachdem wir
fertig waren mit Lachen haben wir uns beraten. Es sollte irgendeine sichtbare Wirkung
sein, aber ein harmloses Mittel, damit sie es wirklich glauben und der arme
Beagle nicht doch noch im Tierheim landet. Wir entschieden uns für ein
Brechmittel. Mir tat der Hund schon jetzt leid, aber besser als Tierheim. Und außerdem sogar medizinisch vertretbar, könnte ja sein, dass die Sau Aujeszky hatte :)
Gemeinsam schlugen wir mit gespielt ernster Miene und
vorgetäuschter Hektik bei Reglers auf. Die standen bereits in der Tür. Es kam schließlich alles, wie es kommen musste. Der Beagle kotzte nach 20 Minuten den
gesamten Esszimmerteppich unbrauchbar, Reglers betrachteten das „Böse“, das sie
später in den teuren Teppich gewickelt entsorgten werden und schlossen den
mitleiderregend dreinschauenden Beagle wieder glücklich in die Arme.
Wir Hundetrainer haben‘s nicht leicht. Und oft hilft uns die
ganze moderne Lehr-/Lern- und Verhaltensforschung nicht weiter. Manchmal müssen
wir einfach nur überzeugend Lügen und tolle Komplizen haben. Dafür lebt der Beagle
bis heute bei Reglers und hat keines der Enkelkinder gefressen.
Lach, Sachen gibts, die gibts garnicht (oder sollte es nicht geben). Aber besser man lacht darueber als man drueber weint.
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