Mittwoch, 11. September 2013

Aus dem Tagebuch eines Hundetrainers: Menschenfresserbeagle

Ein schöner Tag. Aber irgendwie seltsam. Fast beunruhigend. Eigentlich war an diesem Tag noch gar nichts Besonderes losgewesen. Aber ich war zuversichtlich, denn schließlich war Feiertag, schönes Wetter und außerdem erst sieben Uhr morgens. Da geht noch was. Und schon klingelte das Telefon…

„Wir müssen unseren Hund abgeben, wir haben doch Enkel!“, erklärte der Herr am Telefon in Ansätzen hysterisch und ohne Einleitung. Ich stottere. Ähm-ja. Ich erfragte seinen Namen und erklärte, dass Enkel und Hunde sich nicht generell gegenseitig ausschließen müssen und hoffte auf nähere Erklärungen.
Aber irgendwie klappte das nicht so richtig. „Es ist einfach unverantwortlich, das können wir nicht zulassen, den Enkeln darf nichts passieren. Und man hört das ja so oft!“, stieß der verzweifelte Mann den Tränen nahe hervor. Schuld daran, dass es so weit kommen musste sei ohnehin Hilde, die könne sich nicht an Regeln halten. Oh man, so kamen wir nicht weiter.

„Herr Regler, fangen wir doch einfach von vorn an: was haben sie denn für einen Hund?“, versuchte es erneut. „Einen Beagle! Und wenn man einmal gesehen hat wie der seinen Kauknochen zerlegt will man an Schlimmeres gar nicht denken!“ Ich ließ den Hörer für ein paar Sekunden sinken und atmete durch. „Was hat der Hund denn getan?!?“ Stille. Das Schluchzen einer älteren Dame im Hintergrund- das Heulen eines Beagles- oder des Windes und eine knarzende Tür..Ich werde theatralisch und übertreibe, sorry.

„Er hat rohes Fleisch gefressen.“, brach es unter Tränen aus dem Mann heraus. Ich stutzte. Zwei oder drei Mal glaube ich. Dann versuchte ich es mit Stirnrunzeln. Aber erst auf der Unterlippe kauen brachte das gewünschte Ergebnis: ich verstand. „Ihr Beagle hat von dieser Hilde rohes Fleisch bekommen und jetzt haben Sie Angst, dass er agressiv wird?“, durchbrach ich die bedrückende Stille. „Ja hätten Sie denn keine Angst!!! Das weiß doch jeder, dass solche Hunde Menschen anfallen, das hat mir als kleiner Junge schon mein Vater erzählt, dass der Hund vom Bauern Kuno nur deshalb damals…“, seine Stimme brach ab.

Der Mann tat mir fast leid. Ich versuchte mit all meiner Überzeugungskraft zu erklären, dass das ein Ammenmärchen ist und heutzutage viele Hunde sogar absichtlich mit rohem Fleisch gefüttert werden, dass seine Frau von ihrem Mettbrötchen ja auch nicht Amok läuft, aber vergebens. Der Mann hatte Angst und noch dazu keine Ahnung von Hunden. Da halfen auch die fast zweistündige Überzeugungsarbeit und alle Erklärungen nichts.

Ich dachte angestrengt nach. „Wenn Sie ihn nicht nehmen, dann müssen wir ihn ins Tierheim bringen, das bringen wir beide nicht übers Herz, Frau Hildenbrand. Sie haben doch schon einen Beagle, das wäre doch schön, die zwei mögen sich bestimmt. Bitte, wie wissen nicht weiter.“, unterbrach Herr Regler meine gerade Einsetzende Erleuchtung.

„Wann hat er das Fleisch gefressen?“, fragte ich jetzt bestimmt. Alles hängt ab sofort von meiner schauspielerischen Leistung ab. „Heute Nacht, Hilde hat uns den Wildschweinbraten gestern mitgebracht und die Tür zur Speisekammer dann offen gelassen-warum?“, schniefte Herr Regler. „Dann müssen sie ihn nicht abgeben, es gibt ein Gegenmittel! Ich besorge etwas und komme so schnell ich kann vorbei. Wir dürfen keine Zeit verlieren. Wie ist Ihre Adresse?“-ich versuchte euphorisch zu klingen. Er stieg drauf ein, ich notiere die Adresse und lege auf. Und platze erstmal vor Lachen.

Aber was jetzt? Ich rief meinen guten Freund und Tierarzt an und nachdem wir fertig waren mit Lachen haben wir uns beraten. Es sollte irgendeine sichtbare Wirkung sein, aber ein harmloses Mittel, damit sie es wirklich glauben und der arme Beagle nicht doch noch im Tierheim landet. Wir entschieden uns für ein Brechmittel. Mir tat der Hund schon jetzt leid, aber besser als Tierheim. Und außerdem sogar medizinisch vertretbar, könnte ja sein, dass die Sau Aujeszky hatte :)

Gemeinsam schlugen wir mit gespielt ernster Miene und vorgetäuschter Hektik bei Reglers auf. Die standen bereits in der Tür. Es kam schließlich alles, wie es kommen musste. Der Beagle kotzte nach 20 Minuten den gesamten Esszimmerteppich unbrauchbar, Reglers betrachteten das „Böse“, das sie später in den teuren Teppich gewickelt entsorgten werden und schlossen den mitleiderregend dreinschauenden Beagle wieder glücklich in die Arme.


Wir Hundetrainer haben‘s nicht leicht. Und oft hilft uns die ganze moderne Lehr-/Lern- und Verhaltensforschung nicht weiter. Manchmal müssen wir einfach nur überzeugend Lügen und tolle Komplizen haben. Dafür lebt der Beagle bis heute bei Reglers und hat keines der Enkelkinder gefressen.

1 Kommentar:

  1. Lach, Sachen gibts, die gibts garnicht (oder sollte es nicht geben). Aber besser man lacht darueber als man drueber weint.

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