Montag, 30. September 2013

Aus dem Tagebuch eines Hundetrainers: "So gehen wir hier nicht miteinander um..."

„Ich brauche eine hundetherapeutische Fachberatung wegen meines Shar Peis. Wieviel Erfahrung haben Sie denn mit Angststörungen und speziell dieser Rasse?“ So klingen einige meiner beliebtesten Anrufe- warum? Ich bin kein Tierverhaltenstherapeut. Ich bin auch nicht in der interspezifisch homo-caniden Branche tätig, sondern ich bin Hundetrainer. Blöder Mist- sicher wäre ich um Längen besser, hätte ich mir auch rechtzeitig einen wichtigeren Titel erfunden..aber ich wurde trotzdem engagiert…

Die Familie hatte ein modernes, steriles Haus mit integrierter Putzfrau mit Migrationsbehinderung, einen perfekten Garten ohne Häufchen dafür mit Solarbeleuchtung und einem doppelten Pädagogeneinkommen. Zwei Autos, zwei Kinder, zwanzig Meinungen zum Thema Hundeerziehung. Wir standen die ersten 15 Minuten im Flur und die Herrschaften diskutierten recht wenig sachlich, eher blumig aus, ob es denn nicht besser gewesen wäre zum Tierarzt zu gehen anstatt mich zu rufen. 

Die ganze Zeit über hüpfte ein kleines Mädchen um uns herum und hielt ein Bild hoch, der Shar Pei zwickte sie dabei ununterbrochen und knurrte, was aber im Gekeife der Pädagogen komplett unterging.  Ich nahm das Mädchen hoch und sah mir das Bild an, der Hund begann frustiert zu bellen. 
Mit den Worten: "Hören Sie auf meinen Hund zu ärgern!" verliess der Herr des Haufens schließlich das Haus. Ich hätte mich wohl wundern sollen, aber naja. 

Die Kleine wurde fernsehen geschickt und mir der Hund vorgestellt.
Der Shar Pei hatte ein lila Samtkissen, zwei Porzellannäpfe im passendem, silber lackierten Ständer und ein ein rosa Popöchen. Nichtmal mit dem werten Hinterteil nahm der Hund irgendeine Notiz von uns. Dafür ließ er die Erziehung einer Strassenratte durchschimmern: Tilo pinkelte erst einmal gegen das auf dem Boden spielende Kleinkind der Familie. „Donnerwetter, was soll denn das!“, schimpfte ich den Hund.

„So gehen wir hier nicht miteinander um, Tilo reagiert sensibel, wenn man die Stimme erhebt.“, wurde mir sofort erklärt. Aha. Na dann, der Hund hatte ja auch ein Angstproblem- nur wovor genau wollte sich mir einfach nicht erschließen. Vor den Spatzen auf der Terrasse, die er wie ein Irrer verbellte vielleicht-oder vor den Couchkissen, die er alle fünf Minuten angriff und tot schüttelte. Jedenfalls musste er dann immer dringend beruhigt werden…

Vorsichtig versuchte ich anzusprechen, dass der Hund eher ein Erziehungsproblem im Allgemeinen hatte, sich aufführt wie King Rotz und einfach klare Ansagen, keine Globuli, Therapiestunden und Streicheleinheiten braucht. „Ich bemühe mich um den Hund schon seit 6 Jahren mit alternativen Methoden und Gewalt ist für uns tabu. Ich will sein Bestes und ich werde auch einen Therapeuten finden, der Tilo angemessen behandelt. Wenn sie eine zeitgemäße Erziehung überfordert werde ich jemand anderen finden.“

Bestimmt steht die Dame des Hauses auf und weist mir den Weg zur Tür, die kurz darauf hinter mir ins Schloß fällt. Ich ziehe meine Jacke fertig an und krame unter dem Vordach kopfschüttelnd nach meinem Autoschlüssel, als es hinter mir ertönt:

„Selina verdammt nochmal komm endlich vor der Glotze weg und hol deinen kleinen Bruder aus der Pisspfütze, den Scheiß sollst du dir eh nicht anschauen! Zieh ihm irgendwas anderes an, gib ihm einen Keks und schau mit ihm zusammen fern, Mama geht jetzt mit Tilo in den Park, der braucht frische Luft.“


2 Kommentare:

  1. Ina, ich liebe Ihren Blog. Ich glaube ich kenne die Leute die sie da beschreiben. Davon gibt es leider immer mehr. Wie schaffen Sie es nur dabei cool zu bleiben? Ich weiß nicht ob ich da eher solchen Leute die Meinung geigen würde oder aus Verzweiflung einen Lachkrampf kriegen würde. Übrigens, was ist ihr Tagesverbrauch an Valium? :-)

    Liebe Grüsse Jeannette

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Vielen lieben Dak Jeannette! Irgendwann lernt man, dass man nur teilweise etwas erreichen kann, den Rest nimmt man dann einfach mit Humor :)
      Viele Grüße
      Ina

      Löschen