Ich liebe meinen Job. Meistens. Es ist allerdings auch oft
sehr anstrengend und treibt mich an die Grenzen meiner Geduld. Manchmal
allerdings frage ich mich warum wir Hundetrainer eigentlich nicht von der
Krankenkasse anerkannt werden, wie andere Paar- und Familientherapeuten auch.
Heute habe ich einen Termin mit Dodo und seinen Besitzern.
Dodo hat eigentlich gar kein richtiges Problem- außer Erwin und Berta. Bereits
das Telefonat des Grauens war aufschlussreich, denn nachdem ich abgehoben hatte
schallte folgendes aus dem Hörer: „HUNDESCHULE!!??“ Ich bejahe leicht
verschreckt und wiederhole mein Begrüßungssprüchlein diesmal von unter dem
Schreibtisch.
„ALSO HUNDESCHULE??“, tönt es erneut. „Ja, mit wem spreche
ich denn und wie kann ich Ihnen helfen?“, versuche ich es diesmal. Statt einer
Antwort brüllt es aus dem Hintergrund des Anrufers: „Jetzt blök nicht so in den
Hörer Erwin, die hören doch nicht dass hier Baustelle is, frag ob es Freitag
passt!“.Erwin daraufhin: „SEI RUHIG BERTA, ICH HÖR DOCH NIX!!“ Ich lache los, Erwin entgegnet: „GESUNDHEIT!!“
Nach mehreren Zwischenrufen von Berta aus dem Hintergrund habe ich schließlich
herausgefunden, dass die beiden einen Trainingstermin möchten und es geschafft auch
einen zu vereinbaren.
Wie immer stehe ich zum Trainingstermin wie Else Kling am
gekippten Fenster und beobachte das Eintreffen meiner Kunden. Erwin sitzt mit
Hut am Steuer, neben ihm Berta, die Kampfpampelmuse im Blümchenkleid, wild
gestikulierend. Vor der Tür gibt es einen 30 Meter langen Parkstreifen, den die
beiden langsam und unter mehrmaligem Abbremsen und wieder Anrollen inspizieren,
um dann danach im Parkverbot direkt vor dem Hoftor zum Stehen zu kommen.
Zufrieden lächelnd steigt Erwin aus, eine Leine in der Hand. „Warte, ich mach
ihm erst die Leine dran!“, ruft er seiner Frau zu, die aber nur die Augen
verdreht und den Kofferraum öffnet.
Kino vom Feinsten. Erwin hechtet sofort mit der
Beschleunigung einer Stange Sellerie los, aber Dodo ist bereits einige Sprünge
vor ihm und auf dem Weg ins Maisfeld. Berta stellt sich in die einzige
vorhandene Pfütze und kräht: “Erwin jetzt fang ihn endlich ich steh hier nicht
ewig im Dreck rum wegen dir!“ Nach nur zehn Minuten hat Erwin den Ausreißer
auch endlich an der Leine und lässt sich völlig außer Atem von ihm zurück zum
Auto zerren. Berta nimmt ihm erbost die Leine aus der Hand und mit einer
viertel Stunde Verspätung schaffen es dir drei tatsächlich doch noch auf meine
Klingel zu drücken. Ich gebe zu, dass ich mit dem Öffnen gezögert habe…
Nach einer Standpauke über meinen unmöglichen Parkplatz
gehen wir auf den Hundeplatz. Schon das Erstellen des Kundenstammblattes glich
dem Versuch zwei Jagdterrierrüden zur unblutigen sozialen Fellpflege zu
animieren. Erwin gab seine Handynummer an, Berta wollte aber ihre vermerkt
wissen, wusste sie aber nicht-und Erwin hat sie nicht verraten. Mein
Schlichtungsversuch wird mit einem knappen „Das ist nicht Ihre Sache.“ quittiert.
Dodo zerlegt in dieser halben Stunde Rinderwahn auf Klemmbrett gepflegt
Frauchens Handtasche, frisst eine halbe Packung Mentos mit Papier und zieht
dann mit einem Kalenderblock ab. Das ist nicht meine Sache, denke ich und nicke
dem Hund aufmunternd zu.
Nachdem das Kundenstammblatt bis zur Unkenntlichkeit ausgefüllt
und Dodo auch endlich wieder eingefangen ist, bitte ich einen von beiden
einfach eine Runde mit dem Hund zu laufen und- nichts zu machen, erneuter
Streit bricht aus. Erwin und Berta zerren sich gegenseitig mit der Leine umher.
„Entschuldigen Sie die Störung, aber Ihr Hund hängt da noch dran!“, entfährt es
mir. Wenn Blicke töten könnten, hätte Berta mich gerade zischend und brutzelnd zu
einem kackhäufchenähnlichen Gebilde auf dem Rasen geschmolzen. Fröhlich setze
ich noch einen drauf: „Frau Stunk, jetzt lassen Sie doch mal den Chef ran und
sehen Ihrem Mann erst einmal zu wie man‘s macht.“
Ich glaube zu spüren wie meine Füße anfangen zu kokeln-ach
nein, der Rauch steigt aus Bertas Nasenlöchern. „Hier Erwin, wir gehen!“, keift
sie ihren zusammenzuckenden Mann an und meine Miene erhellt sich- allerdings
nur solange, bis ich begreife, dass sie damit nicht „nachhause“ gemeint hat. Es
bleibt mir nichts anderes übrig, als mich den Dreien anzuschließen und zu
versuchen endlich Unterricht abzuhalten.
„Wie greifen sie denn normalerweise ein, Frau Stunk, wenn
Ihnen das Gezerre zu viel wird? Machen Sie ruhig zunächst alles so, wie sonst
auch.“, ermunterte ich Berta idiotischerweise und sollte es sofort bereuen.
Ansatzlos holte dieser Traum aller Männer, die nach Feierabend gern fest verzurrt von der Schlafzimmerdecke baumeln, mit dem
Ellbogen aus und verpasste ihrem Mann einen ordentlichen Hieb in die Rippen,
begleitet von der nächsten lautstarken Schimpforgie.
Ich beschließe die ohnehin schon weit überzogene Stunde zu
beenden und meine Kunden fairerweise vor einer erneuten Terminvereinbarung zu
warnen. „Der Stundensatz für 45 Minuten Hundetraining beträgt 35 Euro, wenn Sie
eine weitere Stunde vereinbaren möchten, dann kommt bitte in Zukunft nur einer
von Ihnen mit dem Hund. Wenn Sie weiterhin beide kommen möchten, fällt das
unter Paartherapie und kostet 135 Euro. Überlegen Sie das halt mal in Ruhe und
dann können wir gern auch telefonisch den nächsten Termin machen.“
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