Donnerstag, 15. August 2013

Aus dem Tagebuch eines Hundetrainers: Cora Schuhmacher und der Yogakrempler

Als junge Hundetrainerin habe ich fast ausschließlich Hausbesuche gemacht. Das hat viele Vorteile, aber auch den Nachteil, dass man im Ernstfall schon einmal festsitzt und einem das verdammt stinkt. Vereinbart war ein Termin mit Herrn Schuhmacher und seiner Cora, die Probleme mit dem Autofahren hatte. Dass die Probleme aber eher an mir haften bleiben würde, hatte ich nicht gedacht.

Herr Schuhmacher wohnte recht ländlich, links ein frisch gedüngter Stoppelacker, rechts ein hübsches Häuschen mit Bäumchen drin und Zäunchen drumrum. Sah alles recht vertrauenserweckend aus, aber es war mein erster Termin mit Schuhmacher und zu einem völlig Fremden ins Auto wollte ich nicht steigen. Genau das war aber das Problem: Herr Schuhmacher hatte um eine Testfahrt gebeten.

Mein luxuriöser Fiat Kastenwagen war natürlich wie immer so perfekt aufgeräumt gewesen, dass es mich über eine Stunde Vorbereitungszeit gekostet hatte, bis ich ohne Scham im Gepäck zum Unterricht fahren konnte. Aber es war ohnehin mal wieder Zeit das treue Packtier zu schrubben.  Da es bereits sehr heiß war und ich in der prallen Sonne parkte ließ ich Fenster und die Schiebetür offen, schnappte mir mein Wichtigtuer-Klemmbrett mit Kundenstammblatt und dem dicken Block, den ich nie brauchte und ging zum Haus.

Ohne dass ich klingeln musste stand mir sofort Herr Schuhmacher in der Tür gegenüber: Leinenhose und Sisallatschen- na prima. Fehlt nur noch das Dinkelkissen und ein- da ertönte es bereits, das Bambuswindspiel des Todes auf der Terrasse. War ja klar. Nein, Herr Schuhmacher bot mir netterweise keinen Roibuschtee an, dafür war er viel zu aufgeregt, denn Cora sei weg. Aber ein Glas reines Heilwasser mit nem Kieselstein drin könnte ich gern haben… Er wüsste nicht wie, oder seit wann, aber er hätte sie nach seiner Jogastunde am Mittag nicht mehr finden können.

„Läuft sie denn öfter mal weg?“ fragte ich  und sah mich um. Duftkerzen, Klangschalen und Bodensitzkissen-der Mann ist sicher so gefährlich wie ein Meerschweinchen-egal, trotzdem mein Auto. „Wir versuchen Cora nicht einzuengen und bisher hat sie das auch nicht ausgenutzt.“, winselt Herr Schuhmacher verzweifelt und versucht seine Leinenhose durch nervöses Krempeln in Position zu bringen. „Vielleicht fahren wir einfach ein paar Minuten Ihre gängigen Spaziergehstrecken ab und sehen, ob sie dort herumläuft, hm?“, unterbreche ich den Yogakrempler und zeige auf seine Schuhe im Flur. War so klar, dass er barfuß mit will…

Im Vorbeigehen werfe ich die Schiebetür zu und sitze bereits im Wagen- doch wo ist Herr Schuhmacher? Im Rückspiegel sehe ich noch, wie er sich in seinem Gartentörchen stehend vor irgendetwas verneigt, um mir dann mit der unglaublichen Geschwindigkeit einer Kletterbohne zum Auto hinterher zu sprinten. „Warum immer ich?!“, schoß es mir durch den Kopf. Aber es half ja nichts.

Nach wenigen Minuten im Auto wünschte ich mich bereits in Schuhmachers Räucherstäbchenhöhle zurück- es war keine gute Idee gewesen das Auto offen zu lassen, der Gestank des Güllefeldes war richtig schön eingezogen. Seltsamerweise wurde es auch während der Fahrt eher schlimmer, obwohl wir uns immer weiter vom Feld entfernt hatten. Der Yogakrempler hielt ein Glöckchen aus dem Fenster und rief nasal immer wieder Coras Namen.

Ich konnte meinen Mund einfach nicht halten und fragte schließlich doch was das mit dem beschissenen Glöckchen sollte, denn statt Cora traten mehrere verwirrte Hausfrauen mit Einkaufskörben vor die Tür als wir vorbeifuhren. Ich bin doch nicht der verdammte Eismann. „Cora reagiert auf die Pfeife immer so gestresst, deshalb haben wir das Glöckchen.“ –Auch klar, was sonst… 

Wir kamen  wieder aus dem Ort heraus und ich beschloss auf dem Feldweg zu halten um die Hintertüren kurz zum Lüften zu öffnen. Und was für eine Überraschung! Hinten in meinem Kastenwagen lag ganz klein und ordentlich gefalten ein völlig verdreckter Hund. „Herr Yo- äh Schuhmacher, schauen sie mal bitte eben hier rein?“, würgte ich hervor. Die Freude war groß, wenn auch einseitig. Der Yogakrempler faltete die Hände und hüpfte, Cora fletschte. „Sehen Sie, jetzt zeigt sie auch schon gleich das angesprochene Problemverhalten!“, jubilierte er beinahe außer sich.

Das Problem der kleinen Stinkbombe war nicht das Fahren, sondern das wieder aussteigen. Die kleine Mistkröte hatte meinen Fiat annektiert und fletsche munter dünstend aus der hintersten Ecke heraus. Selbstverständlich lag sie dabei nicht auf der riesigen Hundedecke mit Antirutsch, sondern auf meiner Lederjacke.

Ich dirigierte den immer noch freudig hüpfenden Yogakrempler wieder ins Auto und fuhr zurück zum Haus. Die Fahrtstrecke nutzte ich dazu um das Gespräch zurück auf die heilende Wirkung von reinem Wasser zu lenken und wortspielte munter weiter, dass Klarheit oft am besten reinigen würde, grenzüberschreitend quasi. Und ich verzichtete sogar auf den rosaroten Kieselstein, auch wenn's nach dem Gefletsche echt verlockend war. Der Yogakrempler ließ sich einlullen, wenn auch ihm das Ziel meines Redeschwalls erst später völlig einleuchten sollte.

Ich hielt diesmal in der Garagenauffahrt und stieg aus. Hatte ich erwähnt, dass ich einen Kastemwagen fuhr? Das bedeutet Trennwand zwischen Fahrerkabine und Transportraum. Wasserdichte Trennwand. Kurzerhand verneigte ich mich vor den heilenden Kräften des Schuhmannschen Gartenschlauches und noch bevor der Yogakrempler anfangen konnte Cora aus dem Auto und seine Nachbarn vor die Tür zu klingeln, gab ich Stoff. Auch Cora schaffte nur noch ein halbes Fletschen bis zur Heilung...

Merke: Wenn man ein stinkendes Auto durch die Hintertür flutet und dabei einen dunkelbraunen Bordercollie zur Seitentür hinausspült, bekommt man nicht nur 10 Euro Trinkgeld zusätzlich, weil man noch bisschen draufgehalten hat, sondern auch ein Rächerstäbchen für die Heimfahrt und ne neue Lederjacke.

Fortsetzung folgt…


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